Nachhaltige Taschen und die Landwirtschaft der Zukunft

Dieser Tage findet zum dritten Mal die Nachhaltigkeitswoche statt, an der nun f¨¹nf Hochschulen beteiligt sind. Der Auftakt wartete unter anderem mit einem Gespr?ch mit Nachhaltigkeitspionier Markus Freitag und einer Podiumsdiskussion zu einer zuk¨¹nftigen nachhaltigen Landwirtschaft auf.

Vergr?sserte Ansicht: Studierende im Hörsaal
Studierende lauschen der Podiumsdiskussion zur Zukunft der Landwirtschaft. (Foto: Nachhaltigkeitswoche 2015)

Der grossen Auswahl an Veranstaltungen der Nachhaltigkeitswoche, die von ¨¹ber 60 Studierenden ehrenamtlich organisiert wurden, habe ich mit grosser Vorfreude entgegengeblickt. Das Angebot reicht von Vortr?gen, Filmvorf¨¹hrungen und Workshops bis zu Podiumsdiskussionen. Am ersten Tag, zum Thema ?Innovation?, haben mich insbesondere zwei Veranstaltungen interessiert.

Die ?sthetik der Wiederverwendung

Die FREITAG-Taschen aus recycelten Lastwagenplanen sind seit Jahren beliebt und weit verbreitet. Im Zuge der Nachhaltigkeitswoche hatten die Teilnehmenden ¨C darunter auch ich ¨C die Gelegenheit, den Kopf dahinter zu Gesicht zu bekommen. Mit Markus Freitag konnten die Organisatoren einen der beiden Gr¨¹ndungsv?ter, oder besser gesagt Gr¨¹ndungsbr¨¹der, dieses mittlerweile 160 Angestellten starken Unternehmens gewinnen. Der Anspruch des Gespr?chs war, zwar ¨¹ber die unternehmerischen Aspekte zu sprechen, aber gleichzeitig auch das Zustandekommen und die Weiterentwicklung einer nachhaltigen Idee einfliessen zu lassen. [1] Mir war zum Beispiel nicht bewusst, dass die erste Tasche damals in der Z¨¹rcher Studenten-WG der zwei Br¨¹der entstand. Das ist eines der Erfolgsrezepte ¨C obwohl Markus Freitag das Wort nicht speziell mag ¨C das er uns nannte: Kleine Br?tchen backen und langsam wachsen; schnell die Idee in Realit?t umsetzten und R¨¹ckmeldungen einholen. Dabei auch Fehler machen und aus diesen lernen.

Vergr?sserte Ansicht: Markus Freitag im Gespräch mit Studenten und Organisatorinnen der Nachhaltigkeitswoche
Nachhaltigkeitspionier Markus Freitag im Gespr?ch mit Studenten und Organisatorinnen. (Foto: Nachhaltigkeitswoche 2015)

Als ?echtes Unternehmen? empfanden die beiden Br¨¹der ihre Taschenproduktion erst, als sie ihren ersten Schneider anstellten. Sie meldeten sich dazu bei der Stadt Z¨¹rich und fragten, ob es Migranten auf Arbeitssuche gebe. Es war ihnen wichtig, diesen Personen eine Chance zu bieten. Das bedeutete nat¨¹rlich auch grosse Verantwortung ¨C nun musste ein Lohn bezahlt werden. Dies f¨¹hrte zum Entscheid, das Ganze als gewinnbringende Gesch?ftsidee zu konzipieren, aber mit konsequenten ?kologischen und sozialen Standards.

Zuerst die wahrscheinlich den meisten bekannten und offensichtlichen Fakten: Die Taschen werden aus alten Lastwagenplanen, Veloschl?uchen und Autogurten hergestellt. Aber das ist noch nicht alles. So erz?hlte Markus Freitag, dass zum Beispiel nach Japan exportierte Taschen per Schiff statt per Flugzeug geliefert, und die Planen am FREITAG-Sitz in Oerlikon mit Regenwasser statt Hahnenwasser sauber gewaschen werden. Es sei wichtig, klare Werte zu definieren, meint Markus Freitag. Das ist auch genau der Punkt, der mich im ganzen Gespr?ch am meisten interessierte: Wie haben diese Werte ihren Weg ins Unternehmen gefunden? Zwei Schl¨¹sselerlebnisse, von denen Markus Freitag berichtete und die mir in Erinnerung geblieben sind: Als kleiner Bub erlebte Markus, wie seine Patentante das Kompostieren in seiner Familie einf¨¹hrte und so dort, wo er die K¨¹chenabf?lle hinbrachte, im Sommer die gr?ssten Zucchetti wuchsen. So kam er erstmals mit der Tatsache in Ber¨¹hrung, dass Abfall ein wertvoller Rohstoff sein kann. Weiterhin nahmen ihn seine Eltern auf einer Familienreise mit nach Indien, wo Markus von den vielen Handwerkern beeindruckt war, die mit grosser Sorgfalt ihre Waren produzieren.

Es sollte sich einiges ?ndern

Am Montagabend gab es ausserdem eine Podiumsdiskussion zu nachhaltiger Landwirtschaft trotz Bev?lkerungswachstum, mit ETH-Professor Wilhelm Gruissem, Tina Goethe (Brot f¨¹r alle), Adriano Mannino (Sentience Politics), Sibyl Anwander (ProTerra) und Daniel B?rtschi (Gesch?ftsf¨¹hrer BioSuisse). Dabei ging es auch ums Produzieren: n?mlich unserer Nahrungsmittel in der Zukunft. Die vielseitige und engagierte Diskussion zusammenzufassen, w¨¹rde den Rahmen dieses Beitrags sprengen [2], aber ich m?chte hier die drei Punkte bringen, bei denen ich am meisten Einigkeit im Podium ausmachen konnte:

  1. Die Nutztierhaltung im heutigen Ausmass ist kein Modell f¨¹r die Zukunft. Da die Produktion von Fleisch und anderen tierischen Produkten sehr inneffizient ist, verst?rkt sie bestehende Problematiken wie die Knappheit fruchtbarer B?den, Wassermangel oder nicht geschlossene N?hrstoffkreisl?ufe, zum Beispiel punkto Phosphor [3]. Sie muss daher stark reduziert werden. Dementsprechend m¨¹ssen wir unsere Ern?hrungsgewohnheiten anpassen. Eine Herausforderung wird sein, hierf¨¹r Anreize zu schaffen.
  2. Was auf dem Feld produziert wird und was auf dem Teller landet, sollte in einer Demokratie nicht der Summe der Konsumenten und Konsumentinnen ¨¹berlassen, sondern von der Gesellschaft als politische ?ffentlichkeit ¨¹ber Gesetzte entschieden werden.  Die Politik und Unternehmen m¨¹ssen Nachhaltigkeit aktiv f?rdern. Das heisst beispielsweise, dass der Staat mehr Geld f¨¹r Forschung zu nachhaltiger Landwirtschaft oder f¨¹r staatliche Saatenbanken spricht [4], und dass gewisse un?kologische oder unfaire Produkte aus den Supermarktregalen verschwinden und durch nachhaltigere Angebote ersetzt werden.
  3. Wenn wir ¨¹ber Landwirtschaft nachdenken, ist es ebenso wichtig die verarbeitende Nahrungsmittelindustrie zu betrachten. Sie sitzen zwischen den eigentlichen Produzentinnen und den Konsumenten und haben somit die F?den in der Hand. Leider war keiner ihrer Vertreter bereit, an der Diskussion ¨¹ber nachhaltige Landwirtschaft teilzunehmen ¨C was eventuell auch eine Aussage ist.  

Zum Schluss gab es einen veganen und biologischen Ap¨¦ro ganz ohne Wegwerfgeschirr. Vielleicht eine Inspiration f¨¹r zuk¨¹nftige Ap¨¦ros an den Z¨¹rcher Hochschulen? An der Zeit w?re es!

Weiterf¨¹hrende Informationen

[1] Siehe auch Veranstaltungsreihe Pioneers in Sustainability

[2] Das Video der Veranstaltung wird in K¨¹rze hier zu sehen sein: externe SeiteWebsite der Nachhaltigkeitswoche 2015 mit R¨¹ckblicken auf die einzelnen Thementage.

[3] Siehe auch den Blogbeitrag von Klaus Jarosch: Phosphor in der Landwirtschaft

[4] siehe externe SeiteCrop Trust

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